Zum Gähnen! Wie die NRW-Bildungsministerin Schülern Zeit stiehlt

Landesbildungsministerin Dorothee Feller hat die volljährigen Schüler in Nordrhein-Westfalen mit einem Brief in die Herbstferien verabschiedet. Wäre der nur halb so lang und so gestelzt, hätten bestimmt mehr Menschen ihn gelesen. Eine kleine Textanalyse.

Überschrieben ist der Brief, verbreitet über die Schulen, mit: Corona- und Energiesparmaßnahmen an Schulen. In der linken Spalte steht der Originaltext. Rechts steht, wie man es leserfreundlicher hätte ausdrücken können. In Klammern jeweils die Zeichenzahl. Liebe Schülerinnen und Schüler, so geht es los.

ORIGINAL

VORSCHLAG

Ich wende mich heute an Sie, um Sie frühzeitig über mögliche neue Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den aktuell diskutierten Energiesparmaßnahmen in Schulen zu informieren. (193 Zeichen)

Ich möchte Sie über neue Regeln zur Corona-Pandemie und zum Energiesparen an Schulen informieren. (97 Zeichen)

„Frühzeitig“, „im Zusammenhang mit“, „aktuell diskutierte Maßnahmen“ – alles umständliche Bürostanzen. Geht es so los, liest man nur weiter, wenn man unbedingt muss. Zwischen „ich wende mich heute an Sie, um Sie“ und dem erlösenden „zu informieren“ kommt ein Einschub von 4Silben. 12 Silben sind der Wert, ab dem es für Durchschnittsleser schon stressig wird.

Im Hinblick auf eine mögliche Intensivierung des Infektionsgeschehens im Herbst und Winter hat der Bundesgesetzgeber das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert und den Ländern die Möglichkeit zur Festlegung von Schutzmaßnahmen eröffnet. Das Gesetz enthält nun folgende, für Schulen bedeutsame Änderungen: (306)

Wir wollen darauf vorbereitet sein, wenn die Zahl der Infektionen im Herbst und Winter wieder zunimmt. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Bundes erlaubt es den Schulen daher, strengere Regeln festzulegen: (209)

„Im Hinblick auf“, „Intensivierung des Infektionsgeschehens“, „Festlegung von Schutzmaßnahmen“: Wo Exaktheit und Befindlichkeiten wichtiger sind als Verständlichkeit, drechseln Politiker und Behörden so blutleer rum. Sicher ist sicher! Aber wenn eine Ministerin sich schon einen Ruck gibt und sagt: Komm, wir sprechen die Schüler mit einem persönlichen Brief an – wieso macht dann keiner von ihren PR-Mitarbeitern, dass es so klingt, als ob ein echter Mensch spricht? 

Die Länder können in der Zeit vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 für Schülerinnen und Schüler ab dem fünften Schuljahr und für Beschäftigte in Schulen unter engen Voraussetzungen eine Maskenpflicht vorsehen. Die Klassen 1 bis 4 sind von dieser Regelung ausgenommen. Die Landesregierung wird entsprechend der Vorgabe im neuen Infektionsschutzgesetz von dieser Ermächtigung Gebrauch machen, sofern das Infektionsgeschehen dies erfordert. In diesem Fall werden die Schulen rechtzeitig darüber informiert. Zunächst einmal bleibt es aber auch nach den Herbstferien 2022 bei der bisher ausgesprochenen Empfehlung zum Tragen einer Maske. (639)

Maskenpflicht: Darf von der Landesregierung für Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse angeordnet werden, wenn sie dies für nötig hält, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Bis dahin gilt weiter: Wir empfehlen das Tragen eines Mundschutzes, aber eine Pflicht gibt es nicht. (290)

Unser wichtigstes Ziel bleibt weiterhin, den Schulbetrieb und Präsenzunterricht durchgängig aufrechtzuerhalten, weil dies für die Entwicklung der Kompetenzen und für die psychosoziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler besonders wichtig ist. (249)

Unser Ziel: Wir wollen die Schulen offenhalten. Das ist wichtig für die psychische Gesundheit und den Lernfortschritt von Schülerinnen und Schülern. (150)

In Bezug auf die Teststrategie bleibt es nach den Herbstferien – wie zuletzt bereits gut eingespielt und erfolgreich praktiziert – bei der Empfehlung der anlassbezogenen Testungen im häuslichen Umfeld, d.h. nur im Verdachtsfall soll wie auch bisher getestet werden. In diesem Zusammenhang vielen Dank an Sie für Ihren besonnenen und vertrauensvollen Umgang mit den Testungen zu Hause! Ihr guter Umgang mit den Testungen ist ein wichtiger Beitrag für die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts. (497)

Teststrategie: Es bleibt auch nach den Herbstferien zunächst alles wie gewohnt. Bei Verdachtsfällen – etwa Symptomen oder Kontakt zu Infizierten – testen Sie sich zu Hause. Das hat bisher gut geklappt, und es ist ein wichtiger Beitrag zu unserem Ziel, dass der Unterricht in Präsenz stattfindet. Dafür danke ich Ihnen. (320)

Die Antigenselbsttests werden vom Land weiterhin gestellt. Schülerinnen und Schüler erhalten das Testmaterial wie bisher über die Schule und wenden dies im Bedarfsfall zu Hause an. Sollte sich bei Ihnen in der Schule aufgrund offenkundiger Symptome ein begründeter Verdacht auf eine mögliche Corona-Infektion ergeben, wird Sie die zuständige Lehrkraft oder Betreuungsperson darum bitten, eine anlassbezogene Testung mit einem Antigenselbsttest vorzunehmen. Auf einen Test in der Schule kann wie bisher in der Regel verzichtet werden, wenn Sie der Schule eine Bestätigung vorlegen, dass Sie am selben Tag bereits zu Hause vor dem Schulbesuch einen Test mit negativem Ergebnis durchgeführt haben. (694)

Die Antigenselbsttests erhalten Schülerinnen und Schüler weiterhin in der Schule. Bei Symptomen kann eine Lehrkraft oder Betreuungsperson Sie bitten, sich zu testen. In der Schule muss in der Regel nicht getestet werden, wenn Sie sich vor der Schule zu Hause negativ getestet haben. (286)

Ich vertraue hier weiterhin auf Ihre Eigenverantwortung und gehe davon aus, dass Sie nur gesund bzw. – bei leichten Erkältungssymptomen – nur mit einem negativen Selbsttestergebnis die Schule besuchen. (203)

Hier kommt es auf Vertrauen und Eigenverantwortung an. Nur wer völlig gesund oder – bei leichten Erkältungssymptomen –negativ getestet ist, kommt zur Schule. (157)

Angesichts der aktuellen Lage der Gasversorgung erreichen uns immer mehr Anfragen, inwieweit Schulen von den Energieeinsparungen betroffen sind. Aufgrund der angespannten Energieversorgung und deren negativen Auswirkungen auf uns als Bürgerinnen und Bürger, auf die Wirtschaft und die Industrie sind wir alle gefordert, Energie einzusparen. (340)

Ein Wort noch zur aktuellen Energiekrise. Müssen angesichts der Gasknappheit, über die täglich berichtet wird, auch Schulen Energie sparen? Dazu erreichen uns derzeit viele Anfragen. (182)

Gleichwohl muss auch in dieser Zeit die Funktionsfähigkeit der Schulen unter Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Schülerinnen und Schüler sowie der Beschäftigten und eines gesunden Lernklimas weiterhin erhalten bleiben. Daher gehören nach der Einschätzung der Bundesnetzagentur Schulen zu den sogenannten „geschützten Kunden“. Zur Erläuterung, was die bedeutet, haben wir Ihnen im Bildungsportal weitergehende Informationen über die aktuelle Rechtslage eingestellt(www.url.nrw/schulbetrieb-enerqieversorqunqskrise). (477)

Natürlich müssen wir alle sparsam mit Energie umgehen. Sollte Gas tatsächlich so knapp werden, dass es nicht mehr für alle reicht, würden Schulen laut Bundesnetzagentur zu den sogenannten „geschützten Kunden“ gehören – würden also weiter beliefert. Weitere Informationen zur Rechtslage haben wir hier für Sie zusammengestellt. (326)

Liebe Schülerinnen und Schüler, seitens des Ministeriums setzen wir alles daran, dass wir die Herausforderungen auch im Herbst und Winter gemeinsam gut bewältigen, wenn wir uns weiterhin alle so bewusst und verantwortungsvoll verhalten, wie wir das gemeinsam in den vergangenen Monaten auch geschafft haben. Daher nochmals vielen Dank für Ihre Unterstützung. (358)

Liebe Schülerinnen und Schüler, wir im Ministerium setzen alles daran, dass wir gemeinsam auch im Herbst und Winter alle Herausforderungen bewältigen! So wie es uns bisher auch gelungen ist – in dem jede und jeder Einzelne sich bewusst und verantwortungsvoll verhalten hat. Dafür danke ich Ihnen allen! (302)

Ich wünsche Ihnen schöne, erholsame Herbstferien.

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